24. November 2019 | |
Kennst du das „Theater am Rand“? Nein, davon habe ich noch nicht gehört. Das solltest du kennenlernen. Es lohnt sich. So ein kurzer Hinweis von Freunden, die von diesem Theater sehr angetan sind. Im Ergebnis haben wir uns für den 24. November 2019 in Zollbrücke verabredet, um eine Vorstellung dieses kleinen Theater zu besuchen. |
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Kostenloses Parken ist kein Problem. Bis zum Beginn der Vorstellung ist noch etwas Zeit. Ich spaziere in Richtung Oder. Rechter Hand liegt die Damm-Meisterei: Zwei restaurierte Fachwerkhäuser des 18. Jahrhunderts mit Terrasse – alles sehr einladend und alles hat seinen Preis. Links befindet sich das Gasthaus „Zollbrücke“ mit moderateren Preisen. Der Damm ist an dieser Stelle unterbrochen. Durch eine so genannte Deichscharte kann man bis zum Ufer der Oder spazieren und auf das gegenüberliegende polnische Ufer schauen. An der Deichscharte sind die Hochwasserstände markiert. Die Einlassungen links und rechts zeigen, dass diese Deichöffnung, wenn notwendig, geschlossen werden kann. |
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Ich spaziere zurück zum Parkplatz, dann zum Theater, ein eigenwilliger Bau vor allem aus Holz und Lehm. Das Theater am Rand wurde von dem Musiker Tobias Morgenstern und dem Schauspieler Thomas Rühmann, sicher vielen bekannt aus der Fernsehserie „In aller Freundschaft“, gegründet. |
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Schon von weitem erspäht man den hutförmigen Turm. Inzwischen treffen immer mehr Besucher ein, auch meine Freunde sind angekommen. Ich frage, wo man die Karten kaufen kann bzw. ob sie die Karten schon hätten und erfahre, dass der Einlass ohne Eintrittskarten erfolgt. Nach Ende der Vorstellung beim Verlassen des Gebäudes gibt man den Betrag, den man für angemessen hält, in einen Sammeltopf. Austrittskarten statt Eintrittskarten. Ungewöhnlich, funktioniert aber. |
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Heute steht „Die Entdeckung der Langsamkeit“, eine szenische Lesung nach dem gleichnamigen Roman von Sten Nadolny (1983) auf dem Programm. Thomas Rühmann ist der Vorleser. Die Szenerie wird von Tobias Morgenstern mit Akkordeonklängen untermalt. Wir leben in einem Zeitalter der Geschwindigkeit. Autos, Züge, Flugzeuge, Computer, Post, Lieferungen – sie können nicht schnell genug sein. In einer Zeit, in der alles schneller und schneller zu werden scheint, kommt ein Sehnen nach Entspannung, nach Verlangsamung auf. Das Buch von Nadolny ist eine Fiktion. Der englische Polarforscher und Kapitän John Franklin war nicht so langsam wie dargestellt. Aber wäre er in der Tat so langsam gewesen, was hätte das für seine Karriere bedeutet? Der Protagonist ist extrem langsam, aber er entwickelt die Fähigkeit mit Langsamkeit umzugehen. Zudem erhält er Unterstützung aus seinem sozialen Umfeld. Mit der Zeit entwickelt er Eigenschaften wie Nachdenklichkeit, Gründlichkeit, Gewissenhaftigkeit, Zuverlässigkeit, Beharrlichkeit. Darüber lässt sich trefflich philosophieren. Gewiss, nicht jeder der langsam ist, wird diese Eigenschaften aufweisen. Es gibt auch Langsame, die einfach nur langsam sind. Die Spannung ergibt sich aus dem Gegensatz zur Schnelligkeit. Wie viel Langsamkeit braucht eine schnelllebige Gesellschaft, um physisch und psychisch gesund zu bleiben? |
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Während der Aufführung muss ich unwillkürlich an das Buch „The Idle Traveller“ des englischen Autors Dan Kieran denken, der für ein langsames Reisen plädiert, um Zeit und Muße zu haben für Überraschungen, neue Erfahrungen, Begegnungen mit Einheimischen, für das Unerwartete. Wie kann man das erreichen? Kierans Antwort: Kein Reiseführer, keine „abzuarbeitende“ Sehenswürdigkeitsliste, keine Eile, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Die Reise selbst genießen. |
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Nach der Vorstellung bekommen wir noch einen Platz im der Randwirtschaft direkt gelegen neben dem Theater und bestellen ein deftiges Mittagsessen. Alles in allem ein wunderbarer Sonntag, zumal auch das Wetter mitspielt. Wer für ungewöhnliche Theatererlebnisse aufgeschlossen ist, wird hier fündig. |
Zollbrücke – Theater am Rand
- Kåseberga – Ystad – Trelleborg
- Berlin – Hackesche Höfe